Asperger-Syndrom

Asperger-Syndrom ... alles wird gut

Heute möchte ich allen Eltern Mut machen, die ein Kind mit Asperger-Syndrom haben.
Auch ich durfte mit solch einem Kind einen sehr holprigen Weg gehen. Heute ist er 16 Jahre alt und in meinen Augen ein Wunder.

Aber erst einmal von vorn ...

Das Asperger-Syndrom erkennen

Wenn das erste Kind das Asperger-Syndrom hat (was sehr häufig der Fall ist), bemerkt man erst einmal nicht, dass dieses Kind anders ist. Wie so vielen Eltern erging es auch mir so, dass die Geburt des zweiten Kindes mich erst darauf aufmerksam machte.
Kind Nummer 2 lernte schneller sprechen und überholte bald unseren 1. Sohn in seiner Entwicklung. Sein ganzes Verhalten unterschied sich von dem Großen.

Spätestens bei der Vorsorgeuntersuchung mit 4 Jahren wurde klar: Hier stimmt etwas nicht.
Mein Sohn hatte Phasen in denen er viel gequasselt hatte und dann welche, in denen er insichgekehrt war. Bei der Vorsorgeuntersuchung war er geistig abwesend. Er hat den Hörtest nicht bestanden und konnte keine Aufgabe der Ärztin erfüllen, weil er einfach nicht da war.
Die Ärztin überwies uns ins SPZ.

Ein Marathon von Ärzten, Psychologen, Therapeuten und Diagnosen startete:
  • Verdacht auf Auditive Wahrnehmungs- und Verhaltensstörung (AWVS)
  • 4 Jahre durchweg Logopäde und Ergotherapie (ohne Fortschritte)
  • Verweis, ihn in eine Förderschule zu geben (zum Glück habe ich das abgelehnt)
  • Rat der Kinderärztin zum Integratives Zentrum zur Förderung hyperkinetischer Kinder (IZH)
  • Diagnose: Aufmerksamkeits Defizit Hyperaktivitäts Syndrom (ADHS) inklusive Vorschlag für Medikamente (habe ich zum Glück auch abgelehnt)
  • Jugendamt lehnte ADHS-Diagnose und damit jegliche Unterstützung zu einer Therapie ab
  • Einschulung in eine normale Grundschule mit Begleitung einer Sprachlehrerin
  • 4 Wochen KJP mit anschließendem Verdacht auf Asperger-Syndrom
  • AWVS-Test war negativ
  • Jugendamt finanziert Autismusambulanz und will dann doch eine "richtige" Diagnose.
  • Da KJP Diagnose nur mit Aufenthalt stellen will, wieder zum SPZ.
  • Die dortige Diagnose: "er ist einfach nur anders".
  • In der KJP durchgesetzt, dass eine Diagnose ohne Aufenthalt gestellt wird. Mit Erfolg.
Mein Sohn lernte sprechen, als er lesen lernte. Offensichtlich fiel es im schwer die Wörter durch hören zu erfassen. Er lernte sehr schnell und mit Begeisterung schreiben und lesen. Und ich habe mich gefragt, wozu wir vier Jahre zur Sprachtherapie gegangen waren.

Hilfe für Autisten

Die größte Hilfe bekamen wir von der Autismusambulanz.
Eine Therapeutin ist jede Woche in die Schule gekommen. Sie hat ihm zum Beispiel gezeigt, wie man die verschiedenen Gesichtsmimikeen deutet, wie er seinen Impuls kontrolliert (sehr langer Prozess) und hat mit ihm über seine Probleme und Sorgen gesprochen.
Mir hat sie mit Rat und Tat zur Seite gestanden, meine Fragen zum Autismus beantwortet und mich bei meinen Auseinandersetzungen mit dem Jugendamt unterstützt.

Mein Sohn sollte ein Sozialtraining in der Gruppe bekommen, doch das Jugendamt verweigerte die Finanzierung hartnäckig, auch wenn die Psychologin dazu dringend riet. Erst als mein Sohn Suizidgedanken hegte, fühlte sich das Jugendamt im Zugzwang und finanzierte das Training und die Fahrt dorthin.

Die nächste Herausforderung kam mit dem Schulwechsel. Sowohl von der Psychologin, als auch von der Autismusambulanz wurde dringend geraten, meinen Sohn mit einem Integrationshelfer den Übergang zu unterstützen. Wieder gab es eine Ablehnung. Das Jugendamt wusste es besser.
Erst als mein Sohn auf der neuen Schule innerlich zusammenbrach, wurde ein Integrationshelfer beziehungsweise eine Schulbegleiterin genehmigt. Dafür wurden die Therapien gestrichen.

Asperger-Syndrom und Schule

Das Thema Schule war von Anfang an schwierig. Mein Sohn passte einfach nichts ins System und die Lehrer waren oft überfordert.

Es fing schon damit an, dass die Grundschule ihn nicht wollte und mir dazu riet, ihn in eine Förderschule zu geben. Ich erzählte das der Ärztin vom Gesundheitsamt. Sie sagte mir, dass ich das auf keinen Fall machen soll. "Ihr Sohn hat einen IQ von 115. Er wird in einer Förderschule untergehen."

In der Grundschule gab es eine Menge Probleme. Mein Sohn rastete immer wieder aus und war mit den vielen Reizen überfordert. Zum Glück hatte  die Therapeutin auch die Lehrer unterstützt, vieles erklärt und viele Tipps gegeben. Doch sie konnte nichts dagegen ausrichten, dass er gemobbt und geschlagen wurde und die Lehrer das wegignorierten.
Auch meine Worte verhallten ins Leere und wurden heruntergespielt. Ich fühlte mich so machtlos.
Mein Sohn wurde immer ruhiger und erzählte kaum noch etwas von der Schule.
Am Ende der Grundschulzeit bekam mein Sohn eine Gymnasialempfehlung. Die Psychologin riet davon ab, weil sie dachte, dass er das nicht packen würde. Doch ich glaubte fest an ihn.

Er kam auf ein Privatgymnasium mit weniger Schülern und recht engagierten Lehrern. Bereits am ersten Tag fand er einen Freund und war überglücklich. Nach einer Woche erzählte er mir, was auf der Grundschule los war: "Mama, sie haben mich jeden Tag verprügelt. Jeden Tag."
Auch auf dem Gymnasium wurde er gemobbt, doch er empfand das nicht so schlimm, weil sie nur gelacht und doofe Sprüche gemacht haben. Außerdem hatten die Lehrer ein Auge darauf und sind oft eingeschritten.

Mein Sohn bekam eine Schulbegleiterin, die auch an der Schule als Pädagogin arbeitete. Sie setzte sich intensiv mit dem Thema Asperger-Syndrom auseinande und war für meinen Sohn da. Außerdem arbeitete sie mit ihm weiter an seiner Impulskontrolle, half ihm, große Mengen an Hausaufgaben zu strukturieren und war Vermittler zwischen ihm und den Lehrern. Sie gehört zu den Menschen, die ihm am meisten geholfen hatten und dafür bin ich ihr noch heute sehr dankbar.

Inzwischen ist er in der 10. Klasse ohne Schulbegleiter. Er arbeitet ehrgeizig und strukturiert und wird nächstes Jahr sein Abitur beginnen. Die Lehrer selbst haben gesagt, dass sie glauben, dass er das schaffen wird.

Die Pubertät und ihre Vorteile

In der Pubertät verändern sich Körper und Gehirn. Das ist bei allen Menschen gleich.
Mein Sohn hatte anfangs Probleme damit. Es schien, als würde er sich dagegen wehren. Ich habe oft mit ihm darüber geredet, auch wenn manche Themen für mich unangenehm waren. Er hat von mir alles wissen wollen und fand offensichtlich nichts peinlich.

Erst mit der Zeit entwickelte er ein Schamgefühl und wurde etwas zurückhaltender. Seine Veränderungen hat er inzwischen akzeptiert. Es ist sogar so, dass er sich offensichtlich Veränderungen wünscht.

Er hat sämtliche Rituale abgelegt, probiert sich in verschiedenen Sportarten aus, versucht sich gesund zu ernähren und hilft viel im Haushalt. Er hatte immer seine Hausarbeit gemacht, die war in seinem festen Tagesablauf integrierten. Doch es war immer die gleiche Arbeit. Jetzt schaut er sich um und macht das, was er gerade für notwendig hält.

In seiner Klasse versucht er Anschluss zu finden und fährt freiwillig auf sämtlichen Fahrten mit, was früher für ihn schwierig war.

Er liebt Wortwitze und wendet sie an den richtigen Stellen an. Manchmal erlaubt er sich kleine Scherze, die vor allem bei uns in der Familie gut ankommen.

Es ist, als würde er wacher sein, als würde er jetzt bemerken, wie viele tolle Dinge um ihn herum sind.

Mir ist bewusst, dass diese Entwicklung nicht jeder Asperger-Autist durchmacht. Da gibt es so viele Unterschiede.
Ich möchte jedoch Euch Mut machen, dass am Ende sehr wahrscheinlich alles gut wird. Kämpft für Euer Kind und traut ihm etwas zu. Gebt Ihnen immer das Gefühl, dass sie mehr schaffen, als sie sich selbst zutrauen. Sie können mehr, als es erst einmal den Anschein hat. Und lasst Euch nichts anderes von Außenstehenden einreden.

Ich hoffe, ich konnte Euch ein wenig bestärken. Wenn Ihr noch Fragen habet, dürft Ihr sie in den Kommentaren stellen oder Ihr schreibt mir direkt.

Lieben Gruß Eure
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